Facade / Kunstinstallation am Palast der Republik
„Kunst ist das, was Welt wird, nicht was Welt ist“ (Karl Kraus, Pro domo et mundo)
„Und endlich schwieg der Kampf, da es an Kämpfern fehlte“ (Pierre Corneille, Der Cid)
„Plus l‘object ou l‘événement sonts grands, plus doit être grand le recul“ (Wladimir Majakowski, Wie macht man Verse?)
„Nous avons l‘art, afin de ne pas mourir de la véritè.“ (Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht)
Façade – Ein künstlerisches Projekt von Jean-Pierre Uhlen/ Limoges
Planung und Realisierung auf dem Schlossplatz:
Jirka + Nadansky Architekten
Die Holzskulptur mit dem Titel „Façade“, französisch für Fassade, bezieht sich auf den Palast der Republik.(…). Die Skulptur entstand im September 2000 im Rahmen eines vom Deutschen Künstlerbund auf dem Künstlerhof Buch bei Berlin veranstalteten Workshops mit dem Titel „Am Ort“.
Schmale, rote mit Schrauben verbundene Holzleisten bilden eine querformatige Grundstruktur von 6mx10m. Die zweidimensionale Wirkung wird durch die fast unsichtbaren Stahlkabel, die die Skulptur am Grund fixieren, unterstützt. Auf den ersten Blick erinnert „Façade“ an ein Klettergerüst für Kinder. Erst bei näherem Hinsehen bemerkt man, dass vier der horizontalen Leisten silberne Inschriften tragen: „Plus l‘object ou l‘événement sonts grands, plus doit être grand le recul“ (Wladimir Majakowski, Wie macht man Verse?). Erst wenn wir selbst Distanz nehmen und zurücktreten, nehmen wir den massiven Gebäudekomplex des Palastes der Republik tatsächlich wahr. Distanz ist ebenfalls vonnöten, will man den Palast der Republik und die Skulptur in den historischen Kontext einordnen. Die quadrierte Oberflächenstruktur des Palastes der Republik ist im Raster der Skulptur nachempfunden, mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: die Linien innerhalb der Skulptur sind unterbrochen. „Facade“ veranschaulicht eine Dekonstruktion, die von innen stattfindet, eine Implosion, sichtbar in der Aufhebung der geometrischen Symmetrie der Skulptur, welche die Struktur fragilisiert.
„Kunst ist das, was Welt wird, nicht was Welt ist“ (Karl Kraus, Pro domo et mundo). Dieses Zitat leitet über zur aktuellen Debatte um die Zukunft des Palastes der Republik, eine Debatte, die politische, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte umfasst. Soll der Palast der Republik fertig saniert und neuen kulturellen oder ökonomischen Nutzungsmöglichkeiten zugeführt werden, oder muß er abgerissen werden, um Platz zu schaffen für eine Rekonstruktion des Schlosses, von dem nur noch das im Staatsratsgebäude integrierte Portal existiert? Das Schloss, ein Symbol preußischer Monarchie, war nach dem Krieg auf Anordnung der DDR- Führung gesprengt worden,(…).
„Und endlich schwieg der Kampf, da es an Kämpfern fehlte“ (Pierre Corneille, Der Cid). Die Zitate heben das Werk aus einem rein formalen Kontext heraus und machen es zum Mittelpunkt des Dialogs zwischen Kunst und Politik. Ihr metaphorischer und umfassender Charakter beugt dem Fehlschluss vor, das Werk des Künstlers als politische Stellungnahme zu verstehen. Es handelt sich vielmehr darum, die Dekonstruktion eines Gebäudes mit hohem Symbolwert und die Dekonstruktion von Geschichte, die unweigerlich damit einhergeht, in Frage zu stellen.
„Nous avons l‘art, afin de ne pas mourir de la véritè.“ (Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht) Der Begriff der Wahrheit bei Nietzsche bedeutet hier nichts anderes als die Erinnerung, die Kampfansage an das Vergessen. Die Kunst bleibt im Gedächtnis haften, die Kunst ist autonom, sie ist den politischen Wechselspielen, die die Geschichte konstituieren, nicht unterworfen. Mit der fragilen und fragmentarischen Komposition „Facade“ nimmt der Künstler eine potentielle Zukunft vorweg und bietet zugleich ein mögliches Substitut des Gebäudes an. (…)
Christine Mani